Spannende und sinnvolle Integrationsarbeit - Interview mit Roland Hauri

Seit Juni ist die Leitung des Fachbereichs Integration + Betriebe in neuen Händen. Roland Hauri hat sich einen Überblick verschafft, sich in die verbandsinternen Strukturen eingearbeitet, erste Herausforderungen erkannt und sich mit seinem

Team und den wichtigen Partnern vernetzt. Es ist der ideale Zeitpunkt für ein Interview mit der neuen treibenden Kraft.

Wie wurdest du von deinem Team aufgenommen und wo siehst du Handlungsbedarf?
Ich erlebe die Mitarbeitenden in den Treffpunkten und in den BrockiShops als sehr engagiert. Die Betriebe sind lebendig und  dynamisch und ich stelle gleichzeitig fest, dass es wenig Verknüpfung zwischen den ähnlichen Betrieben innerhalb unseres Verbandes gibt. Hier sehe ich ein grosses Potenzial, um voneinander zu profitieren, indem Prozesse und Abläufe angeglichen werden. Ich sehe es als meine Aufgabe, diesen Austausch untereinander zu ermöglichen.

Welches sind die Herausforderungen im Bereich Integration im gesamten Verbandsgebiet?
Ich stelle fest, dass wir sehr unterschiedlich bekannt sind. In gewissen Regionen besteht seit Jahren eine enge Zusammenarbeit mit zuweisenden Institutionen, in anderen, wie beispielsweise in der Region Emmental, haben wir noch viel Potenzial. Dort will ich Zeit investieren und direkte Kontakte mit den Sozialdiensten knüpfen.

Warum braucht es das Blaue Kreuz als weiteren Anbieter im Integrationsbereich?
Neben unseren Angeboten in den Bereichen Suchtprävention und Suchtberatung ist die Integrationsarbeit die logische Konsequenz. Das Blaue Kreuz kann so an jedem Punkt einer Suchtgeschichte Perspektiven aufzeigen. Das Blaue Kreuz gehört zu den wenigen Organisationen, welche sich im Bereich Arbeitsintegration auf Sucht spezialisiert haben. Im Arbeitsalltag mit von Sucht betroffenen Menschen ist das suchtspezifische Fachwissen eine grosse Stärke. Denn viele Menschen im Integrationsbereich haben ein Suchtproblem. Sie benötigen spezialisierte Angebote mit entsprechender Unterstützung, welche wir bieten können. Und auch wenn eine Integration in den ersten Arbeitsmarkt in absehbarer Zeit eher unrealistisch ist, unsere Treffpunkte bieten Stabilität und ermöglichen soziale Beteiligung. Die vielen regelmässige Besucherinnen und Besucher in den Treffpunkten schätzen dieses Angebot sehr.


Habt ihr genügend Kapazität, um diese wichtige Begleitaufgabe zu übernehmen?
Wo die personellen Kräfte eingesetzt werden, ist hauptsächlich eine Frage der Priorisierung. Wir stellen fest, dass die zugewiesenen Personen heute häufig Probleme in mehreren Lebensbereichen haben. Neben der Sucht und der fehlenden Arbeit haben sie zum Beispiel Schwierigkeiten im Bereich Wohnen, Finanzen oder psychische Gesundheit. Viele Klientinnen und Klienten können deshalb nur ein kleines Pensum arbeiten. Das bedeutet, dass von unserer Seite mehr Betreuungs- und Vernetzungsarbeit geleistet werden muss. Für unsere Betriebe stellt ein weiteres Phänomen eine Schwierigkeit dar. Ein Arbeitgeber will die guten Mitarbeitenden behalten. In der Arbeitsintegration verlassen die stabilen, belastungsfähigen Mitarbeitenden unsere Programme und wechseln in den ersten Arbeitsmarkt. Die Teams in unseren Treffpunkten und BrockiShops sind in dieser Hinsicht speziell herausgefordert. Sie müssen den laufenden Betrieb mit immer wieder wechselnden, und zum Teil eher instabilen, Mitarbeitenden sicherstellen.


Ist die Integration in den ersten Arbeitsmarkt für unser Klientel ein realistisches Ziel?
Arbeitsmarktfähigkeit hängt von vielen Faktoren ab. Natürlich sind fachliches Know-how oder Sprachkenntnisse wichtig, ebenso wichtig sind aber auch weiche Faktoren wie Pünktlichkeit, Belastbarkeit,  Beständigkeit, Durchhaltevermögen und Kritikfähigkeit. Fehlen diese Schlüsselkompetenzen, wird es schwieriger für eine Person aus unseren Arbeitsprogrammen, im ersten Arbeitsmarkt Tritt zu fassen.

Stimmt unser Angebot noch mit den Bedürfnissen der Programmteilnehmenden überein?
Auf jeden Fall. Wir haben mit unserem Stufenmodell eine breite Palette von Angeboten, auch solche mit einem niederschwelligen Ansatz. Häufig fallen Suchtkranke aus den Integrationsprogrammen in der Sozialhilfe heraus, weil ihre Arbeitsfähigkeit stark eingeschränkt ist. Das Blaue Kreuz ist eine der wenigen Institutionen, welche niederschwellige, langfristige Beschäftigungsangebote für Menschen mit einer Suchterkrankung anbieten. Unser Problem besteht darin, dass solche Angebote oft als weniger wichtig betrachtet werden und darum die Beschaffung von Finanzen schwieriger ist.


Verstehe ich dich richtig, du wünschst dir mehr Geld für diese wichtige Integrationsarbeit?
Ich bin mir bewusst, dass der Kanton seine Mittel langfristig sinnvoll investieren will. Die Arbeit im niederschwelligen Bereich mit Suchtkranken ist ein Risiko. Nicht alle schaffen den Ausstieg aus der Sucht, es gibt Rückfälle, nicht alle können langfristig stabilisiert werden. Der finanzielle Fokus auf den ersten Arbeitsmarkt ist aber zu einseitig. Fehlen Beschäftigung und Tagesstruktur, wie wir sie bieten, kann das beispielsweise zu einem Klinikeintritt führen, was an einer anderen Stelle sehr hohe Kosten generiert. Zudem fehlt mir bei der Verteilung der Gelder die Ausrichtung auf die Lebensqualität und das Wohlbefinden von Menschen in Problemsituationen.

Wenn ich dir zuhöre, habe ich den Eindruck, du bist schon voll in deinem neuen Arbeitsgebiet angekommen.
Du hast recht. Ich freue mich auf die spannende neue Aufgabe, habe ein gutes Team und sehe gleichzeitig, dass uns die Arbeit so schnell nicht ausgeht.

Cornelia Stettler, Leiterin
Kommunikation + Fundraising
Blaues Kreuz Bern-Solothurn-Freiburg

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